Aushandlungsprozesse von Wortbedeutungen und Sachverhaltsbezeichnungen in deutschsprachigen Fernsehgesprächen am Beispiel von politischen Talk-Shows
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Die Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, wie und warum Bedeutungsunstimmigkeiten in deutschsprachigen Fernsehgesprächen thematisiert und ausgehandelt werden. Die Ausgangshypothesen lauten: Die unterschiedlichen Interpretationen von Wörtern und die Sachverhaltsbezeichnungen hängen mit den unterschiedlichen sozialen Positionen der Sprecher im Studio zusammen. Bedeutungs- und Bezeichnungsaushandlungen werden so geführt, dass diese sozialen Positionen bestätigt oder gestärkt werden, und enden nicht immer mit einem Konsens über die thematisierte Bedeutung oder Bezeichnung. Die Studie wird auf der Grundlage von zwei theoretischen Ansätzen durchgeführt. Die Bedeutungskonstitution (Deppermann 2002) postuliert, dass die Bedeutung jedes Wortes in Abhängigkeit vom Gesprächskontext ausgehandelt und erzeugt wird. Die Positionierungstheorie (Lagenhove/Harré1998) besagt, dass die Interaktanten eines Gesprächs sich selbst und ihrem Partner bestimmte Rollen, Attribute und Eigenschaften zuschreiben, die die jeweiligen Positionen der Interaktanten bilden. Als methodischer Rahmen wird hier die ethnomethodologische Konversationsanalyse herangezogen, die davon ausgeht, dass konversationelle Probleme interaktiv von den Interaktanten identifiziert und gelöst werden. Die 23 transkribierten und analysierten Sequenzen bestätigen alle Ausgangshypothesen und zeigen außerdem, dass die Aushandlungen unter anderem mit dem Ziel geführt werden, einen Sachverhalt zu rechtfertigen, eine Entscheidung zu begründen oder einen Sachverhalt zu klären. Bedeutungen und Bezeichnungen werden also immer in Verbindung mit bestimmten sozialen und politischen Ereignissen ausgehandelt. Es bestehen ferner feste semantische Merkmale, die gemeinsam und stillschweigend akzeptiert werden. Eine einvernehmliche Lösung bei der interaktiven Lösung von Gesprächsproblemen ist von vornherein kaum gewährleistet. Es wird angeregt, jedes Wort weiterhin in Gesprächen bedeutungsmäßig als thematisierbar und aushandlungsfähig zu betrachten und bei der Bedeutungsforschung mit Identitätsmerkmalen zu rechnen.