Umbruch
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Ursula von Wiese – Lektoratsbericht. Man lasse sich nicht davon täuschen, dass der Roman langsam anrollt - es ist tatsächlich ein Schneeball, der schneller und schneller rollt, Ausmasse gewinnt und zu einer Lawine wird. Die Verfasserin versteht sich auf die Kunst, den Leser weiterzuziehen, auch wenn retardierende Momente vorkommen. Es kommt bei dem Roman auf den Leser an, wie er einzuordnen ist: Man kann ihn zur Zerstreuung lesen, gewissermassen obenhin; man kann aber auch in die Tiefe gründen, wo man vieles findet, das anrührt; viele Frauen dürften darin etwas von ihrem eigenen Schicksal finden. Die Icherzählerin meditiert zwischen Handlung und den vorzüglichen Dialogen frisch von der Leber weg, aber hinter dem burschikosen Ton steckt Zärte und Empfindsamkeit, vor allem auch Klugheit. Sie hat die Gabe, sich der Dinge bewusst zu machen, und vermöge ihres klaren Denkens - sie macht sich nichts vor - kann sie ihr Schicksal meistern. Es wird nicht nur ein Frauenschicksal gezeichnet, das in seinen Beziehungen zu den Männern ganz im Heute wurzelt, sondern auch dargetan, wie es gemeistert wird. Beileibe nicht lehrhaft, dafür sorgt schon die köstliche Frische, sondern zwischen den Zeilen. Das Leid, die Einsamkeit, die Egozentrik der Menschen, all das ist da, ohne dass es aufs Brot geschmiert wird, und das macht den Tiefgang dieses Zeitromans aus. Dass man es mit einem Unterhaltungsroman von Niveau zu tun hat, liegt nicht zuletzt daran, dass er in einen 'gehobenen' Milieu spielt. Der Leser lernt, ohne sich anstrengen zu müssen, das Werden einer Wochenzeitschrift kennen, vom Artikelschreiben bis zum Druck. Auch hier nicht etwa Belehrung, sondern immer alles eingebettet in die Handlung. Und was sehr wichtig ist bei einem Roman in Ichform: Man gewinnt die Icherzählerin lieb, eine Voraussetzung dafür, dass ihr Schicksal interessiert. Man hat auch Verständnis für die Schwächen der Menschen in ihrer Umgebung, häufig mit feinem Humor hingetuscht. Der Wunsch des Lesers, dass Karen ein Happy-End beschieden sei, geht nicht in Erfüllung, aber diese Wunscherfüllung wäre banal, und mit Banalität hat man es hier gewiss nicht zu tun. Dieser Roman strotzt von Leben. Für einen Lektor, der erschütternd viele schlechte und mässige Bücher vorgesetzt bekommt, ist UMBRUCH ein Genuss. Die Lektüre an sich ist ein Genuss, und besonders schön ist daran, dass man hernach ihm nachsinnt.