Der eiserne Gustav, 2. Band (Illustriert)
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Ausgerechnet am Schluss des Buches kommt es zu der berühmte Fahrt nach Paris, auf der Hackendahl alle zujubeln. Es ist ein bisschen wie eine freundliche Reminiszenz an die Wertvorstellungen der Kaiserzeit, und das ist schade. Fallada jedoch deshalb eine einseitig verklärende Sichtweise der alten Ordnung zu unterstellen, wäre schon aus autobiografischen Gründen verfehlt, hatte doch der Autor selbst ein offenbar tief gestörtes Verhältnis zum eigenen Vater. Das noch heute Beeindruckende an Falladas Roman „Der eiserne Gustav“ ist zum einen die Analogie des erzählten Familiengeschehens zur geschichtlichen Entwicklung des deutschen Volkes in jenen Jahren. An Lokalkolorit spart der Autor nicht, der berlinische Dialekt ist kennzeichnend für die Dialoge (der alte Hackendahl pflegt ihn mit fortschreitendem sozialen Abstieg immer intensiver) und sorgt humorvoll und respektlos für eine mildere Rezeption der Figur des eisernen Gustav durch den Leser. Trotz seines Starrsinns und seiner uneingestandenen Fehler legt der Mann eine gewisse Lebensweisheit und Zähigkeit an den Tag, die auch dem härtesten Kritiker patriarchalischer Selbstherrlichkeit widerwilligen Respekt abringt. Dadurch, dass sich dieser Effekt einstellt, ist Falladas Roman trotz drastischer Darstellung dessen, was falsche Erziehung anrichten kann, leider keine eindeutige Abrechnung mit dem wilhelminischen Zeitgeist. Auch einen aus heutiger Sicht zumindest nachvollziehbaren geistigen Brückenschlag zum aufziehenden Unheil des Nationalsozialismus mit seiner noch extremeren Erziehungstheorie und -praxis sucht man vergeblich - wenn man ihn denn überhaupt sucht und das Buch nicht einfach als gut geschriebenen, spannenden Unterhaltungsroman einer ungemein interessanten Epoche lesen möchte.