Der Geschichtswissenschaftler Mergenthal erzählt seinem trinkfreudigen Freund Dordinger eine bizarre Geschichte über einen Wesenszwilling, der vor 300 Jahren hingerichtet wurde. Dordinger, der an einer Psychose glaubt, denkt darüber nach, eine Psychiaterin um Rat zu fragen. Plötzlich findet er sich in Mergenthals Wohnung vor einer Guillotine wieder und wird aufgefordert, als Henker zu handeln. Warum hält Dordinger sich für einen Mörder, und was führt ihn ins idyllische Graubach? Hat die psychiatrische Patientin Gisela-Amalie Gräfin Hohenschwengen recht, dass Zeitreisen möglich sind? Welches dunkle Geheimnis tragen die Gebrüder Wasser mit sich? Was sieht die blinde Politikerin Manuela Pressburger wirklich, und sind Politiker nicht das, was sie vorgeben zu sein? Sind alle Menschen Getriebene, die dem Unabwendbaren nicht entkommen können? Dieser skurrile, österreichische Roman entführt den Leser in eine Welt, die auf den ersten Blick absurd erscheint, aber möglicherweise näher an der Realität ist, als gedacht. Die Themen Sterbehilfe, Schuld und Verantwortung sowie Schicksal versus Verschwörungstheorien werden behandelt. Die zentrale Botschaft ist eine eindringliche Anklage gegen die Todesstrafe.
Christian Locker Bücher






Anarchie und Restauration, Terrorismus von Kaisers Gnaden, Telepathie und Sanctissimus, Folterpolizei und Mord für medizinische Zwecke, also Genie und Wahnsinn und viele weitere Tabubrüche finden sich in Christian Lockers zweitem Roman „Wann endet die Gemütlichkeit?“ Alles Einfälle, so spritzig wie ein Veltliner, der auch eine gewisse Rolle spielt… Wie in seinem Debüt „Einfach jeder“ erweist sich Locker auch hier als Meister des Skurrilen. Gar schräge Vögel bevölkern dieses Nachtstück um eine Geheimgesellschaft, die einen legitimen Spross der 1740 im Mannesstamm ausgestorbenen Habsburger im Wien der Gegenwart reinthronisieren will, sich zuvor jedoch der österreichischen Regierung entledigen muss. Dass der Auserwählte sich nach einem Schlag auf den Kopf wieder für ein Schulkind hält, kompliziert die Dinge, wie man sich vorstellen kann. Unüberlesbar ist dabei der Genuss, mit dem sich der Autor der politischen Unkorrektheit hingibt, mit dem er im Dreck der österreichischen Seele wühlt. Unverhohlene Sympathie entwickelt er für die am tiefsten Gesunkenen in dieser so gar nicht offenen Gesellschaft. Da ist z. B. der Alkoholiker, dem, versehentlich für einen Terroristen gehalten, alle Zähne ausgeschlagen werden, der vor einem implodierenden Fernsehgerät in Brand gerät, sich aber nach einem weiteren Rausch an nichts mehr erinnern kann. In Erinnerung bleiben wird der Geistliche, der keine Kardinalschnitte mag und dafür von Gott verlassen wird, ohne Gottes Stimme zu erkennen.
Ernst sei das Leben, heiter die Politik. Oder ist es umgekehrt? So eine Frage wird unbeantwortbar, wenn es den Schriftsteller Ladislaus Pexl plötzlich durch die Jahrzehnte weht. Aufgrund undurchsichtiger Vorgänge schreibt er einmal noch auf seiner klapprigen Reiseschreibmaschine, die unvermittelt zu einem Laptop wird -, und Manuskripte lösen sich in Blogs auf. Auch manch anderes bleibt ihm rätselhaft und doch vertraut: Karrieresüchtige Ministerinnen etwa wirken zeit-, wenn auch nicht alterslos. Und der Roman, an dem er arbeitet, „weiß“ mehr über das Geschehen als der Verfasser selbst. Christian Locker, Surrealist von Herzmanovsky-Orlandos Gnaden, überbietet sich mit diesem Parallelwelt-Roman – fast schien es unmöglich – noch einmal: Mit Spannung und sarkastischem Esprit führt er einen Narrenzug durch Ämter und Alltag, durch Mutmaßung und Trug. Und schnell wird das Buch seinem Titel gerecht …, denn es ist ein Streifzug durch Österreich, was immer das auch sein mag.
Ein Mord erschüttert Wien: Der berühmte Philosoph Dr. Heinrich Zerner wird vor Dutzenden Zeugen von einer unbekannten Dame erschossen. Bald schon steht Major Machinger bei den Ermittlungen vor einem merkwürdigen Problem, denn das Opfer lebte offensichtlich in den Dreißiger-Jahren!? Droht nun der Einmarsch der Wehrmacht in Österreich? Noch immer? Schon wieder? Was passiert, wenn man seine Zeit verliert – im weitesten Sinn? Gibt es ein Zurück in die Gegenwart – und wenn ja, in welche? Christian Locker, unangefochtener Meister der surrealen Literatur, besticht mit diesem spannenden Buch noch einmal – und ein letztes Mal - durch seinen subtilen Humor, die historisch-philosophischen Verschlingerungen und unerwarteten Wendungen. „Der Journalist Martin Haidinger hat mit dem sterbenskranken Schriftsteller im April 2018 ein letztes Gespräch geführt. Christian Locker machte sich wieder Gedanken in der Art: Was wäre, wenn man den eigenen Großvater erschlägt? Kommt man dann überhaupt auf die Welt? Er glaube an die Zeitlosigkeit, verriet er.“ Peter Pisa
Dass in Christian Lockers Geschichten die Realität als eine sehr relative erscheint, ist zumindest seit „Setzen! Nicht genügend!“ unübersehbar. In seinem neuen Roman dreht er der Logik und dem, was man landläufig Alltagserfahrung oder auch gesunden Menschenverstand nennt, wiederum eine lange Nase, eine besonders lange diesmal … Paralleluniversen kennt die (ganz) moderne Physik durchaus, allerdings ändert sind der Charakter dieses Wortes, wenn er Fleisch bekommt, wenn ihn Menschen bevölkern: da steigen Personen aus Bildern, da steht eine längst verstorbene Mutter im Zimmer, aktuelle Morde geschehen mit einem Parierdolch, und am Wienerberg wird wieder gehängt, gehenkt, die DDR besteht weiter. Und die Schleuse zwischen den Welten scheint ein banales Büro, ein banales Ölbild in einem banalen Büro zu sein. Ein Narrenzug skurriler Gestalten bevölkert ein ebenso skurriles Wien, dass eben gerade Fasching gefeiert wird und Verkleidungen zur allgemeinen Verwirrung beitragen, aber auch befremdliches Eigenleben gewinnen können, fügt allen Versuchen der Erleuchtung, der Ausleuchtung ein weiteres Irrlicht hinzu – Schatten wachsen überall. Die Schriftstellerin Marianne Gruber sah sich durch Christian Lockers Prosa einmal auf Louis Aragon und Jorge Luis Borges verwiesen - große Namen, große Vorwürfe gewiss. Doch umgekehrt gesehen: Mehr hineingezogen zu werden in eine Geschichte, mehr einem Erzählsog ausgesetzt sein durch eine Geschichte als es bei „Den Galgenvogel abgeschossen“ sicher viele Leserinnen und Leser erleben und erfahren werden, ist nicht leicht möglich. Also warum nicht Aragon und Borges …
Seltsames ereignet sich in dem abgeschabten Wiener Kaffeehaus, in dem sich einige Männer regelmäßig zu einem selektiven Klassentreffen versammeln: sehr unterschiedliche Charaktere und Lebensläufe seit je. Doch wenn da plötzlich einer sitzt, der vor Jahrzehnten ermordet wurde – und seinen Ovid zurücklässt, so wie vor Jahrzehnten schon. und verständnislos ein Handy anstaunt …, ist dann die Zeit in eine Schleife gekippt? In einen irren Reigen treten die Figuren ein, alte Erinnerungen, alte Liebschaften und Verfehlungen mischen sich mit dem Heute, unentwirrbar, verwinkelt und verwickelt, und die Hauptfigur weiß nicht mehr im Geringsten, wie ihr geschieht. Was soll ein nicht mehr ganz junger Mann auch sagen, wenn er nur mit Milch ernährt wird, Windeln trägt, sich an Dinge erinnert, die erst kommen müssen, kommen können? An Brüsten nuckelt, aber anders als er es eigentlich tun möchte? Der Leser und die Leserin wissen dies sehr wohl – nicht dass sie durchschauen könnten, was da abgeht, nein, das gewiss nicht. Und sie werden aus dem Staunen nicht rauskommen, wenn sie dem Autor durch dieses Panoptikum folgen, das er entfaltet, sich auf seinen hinterfotzigen Humor, auch seine schalkhafte Phantasie einlassen, einfach mit ihm mitgehen beim Narrenzug durch das nächtliche (oder tägliche?) Wien –. Subtile Unterhaltung auf höchstem Niveau!
Zwischen Rax und Schneeberg liegt das idyllische „Graubach im Bergl“ – so nahe der Bundeshauptstadt und doch eine völlig andere Welt. Als ein Hofrat aus Wien anreist, um eine heikle Aktion des Bundesheeres zu retten, prallen zwei grundverschiedene Kulturen aufeinander. Die einheimische Wirtshausseligkeit trifft auf das Überlegenheitsgefühl des hohen Beamten, was zu einer fesselnden und rasanten Abfolge tragischer und komischer Gefechte führt. Während die Bundesheer-Einheiten mit dem einfachen Volk alkoholisierte Freundschaften schließen, werden der arme Klämmer Sigi und andere in ein geheimnisvolles Höhlensystem und in eine verdrängte, präsente Welt entführt. Die einsame Manu konfisziert einen schneidigen Offizier, während Alois von Letztholz unerwartete Karrierechancen erhält. Der Hofrat kämpft verzweifelt gegen das drohende Desaster. In seinem dritten Roman bleibt Christian Locker den menschlichen Schwächen treu. Tabulos und liebevoll werden die Eigenheiten unterschiedlichster Charaktere, ob „kleine Leute“ oder „hohe Tiere“, bloßgestellt. Locker fesselt den Leser mit spannender Handlung, wechselt zwischen Lachen und Weinen und entlässt ihn schließlich mit einem leisen Schmunzeln. Ein wahrer Lesegenuss! (Christian Weimann)
