Ein Mann wird zum Arzt geschickt, weil er Visionen hat, die für ihn umgehend Gestalt annehmen. Die Stadt Graz erscheint ihm als ein kleines Venedig mit Gondeln auf der Mur, gleichzeitig – so behauptet er – halte er sich als Toter in Istanbul auf. Er glaubt einem Buch, das „Weltverlust“ heißt, entsprungen zu sein. Günter Eichbergers Prosa umspielt mit dichterischem Esprit Theoreme des Konstruktivismus ebenso wie Topoi des Anarchismus und klas- sischer Avantgarden. Bei aller Erfindungslust und Neigung zum Grotesken erweisen sich Eichbergers phantastische Szenarien auf frappierende Weise als welthaltig. Seine Fabulierkunst übersetzt drohende Entwicklungen von Trans-Humanisierung in skurrile Bil- der handfester Körperlichkeit. Ein Gegengewicht zur herzhaft bra- chialen Komik seiner Plots stellt Günter Eichbergers Sprachsatire dar, die mit feinem Besteck den in wohlfeilen Phrasen verborgenen Hintersinn freilegt und solcherart den Blick auf virulente gesell- schaftliche Widersprüche zu schärfen vermag.
Günter Eichberger Reihenfolge der Bücher
GÜnter Eichberger war ein produktiver Schriftsteller, dessen Werk die Komplexität der menschlichen Existenz und die gesellschaftlichen Strukturen, die unser Leben prägen, erforschte. Seine Erzählungen tauchten tief in die psychologischen Abgründe seiner Charaktere ein und enthüllten mit bemerkenswerter Einsicht ihre innersten Kämpfe und Wünsche. Eichbergers unverwechselbare Prosa, gekennzeichnet durch ihre lyrische Qualität und präzise Bildsprache, lud die Leser in lebendig gestaltete Welten ein. Seine bleibenden literarischen Beiträge schwingen weiterhin nach und bieten tiefe Reflexionen über die menschliche Verfassung.






- 2023
- 2021
Bosch oder Der Einzige und seine Einzelzelle
- 92 Seiten
- 4 Lesestunden
- 2019
Dass die Literatur nach der Moderne davon lebe, die gleichen Geschichten zu erzählen, die bereits vor der Moderne alle zum seligen Einschlafen gebracht hätten, lautet ein Aperçu, das Günter Eichberger in „Stufen zur Vollkommenheit“ augenzwinkernd zum Besten gibt und dem er die eigene Fabulierkunst entgegenhält: Da mutiert ein Volksdichter namens Peter Rosegger zum Spion des Zaren, Falschspieler und transhumanen Ungeheuer, an dessen Kopf eine Melone wächst und in dessen Mund Stare nisten, oder ein Herr Bergoglio aus Argentinien wird zum Papst, der über Liebe nicht nur sprechen, sondern diese auch (mit Maria Magdalena) machen will, der nackt und bettelnd den Besitz der Kirche veräußert und letztlich eingesteht, der Junta „beide Wangen seiner Jesuiten-Brüder hingehalten“ zu haben. Eichbergers Grotesken schreiben real existierende Widersprüche fort, wie etwa in jener Tourismusvision, den demographisch dezimierten Industrieort Eisenerz auf die Größe einer Schneekugel zu schrumpfen. Mit einer wahren Kinderfreude an Einfällen, die sich aus dem Abklopfen und Durchschütteln von Wörtern und Wendungen gleichsam aus der Sprache selbst ergeben, macht Eichberger der aphoristischen Manier betulicher „Sinn“-Produktion den Garaus. Sprichwörter kippen ins Surreale, kalkuliert schiefe Metaphern „le- gen das Gehirn in Falten“. Die erfrischend anarchischen Sprach- spiele von Günter Eichbergers „Stufen zur Vollkommenheit“ bieten eine feinsinnige und unterhaltsame Anleitung, die heutige Allerweltsbedeutungsindustrie und deren „ideologische Profiteure“ kritisch zu durchleuchten.
- 2017
Ein Gehirn bildet bislang ungeahnte Zentren und dehnt sich bis zur Größe des Universums aus: Kopf und Weltall sind identisch. In Gang gesetzt werden solcherlei Gedankenexperimente in Günter Eichbergers „Hirn ohne Grenzen“ von einem Ich, das sich selbst in jedem Satz neu entwirft. Im Zwiegespräch mit sich selbst durchstreift diese fluktuierende Erzählinstanz bekannte und unerschlossene Gebiete heutiger Kognitions- und Neurowissenschaften: Was ist Bewusstsein und wie kommt es zustande? Wer spricht, wenn jemand „Ich“ sagt? Wie verhalten sich mentale Prozesse und neurologische Messdaten zueinander? Und welche Rolle spielt die Sprache bei der Kognition? Bei so viel Aporie zieht es Eichbergers Spielfigur vor, doch lieber mit dem „Darmhirn“ zu denken... In ausschweifenden Phantasien ruft der Autor erkenntnistheoretische Modelle und solche aus der Gehirnforschung auf, die er im Wörtlichnehmen ihrer Sprachbilder zerstieben lässt. In einem Furioso an paradoxen Aphorismen, vorgeblichen Kindereien und echten Geistesblitzen findet ein ungezügeltes dichterisches Denken seinen unverwechselbaren Ausdruck: Selten wird die Unzulänglichkeit sprachlicher Weltaneignung derart pointiert zur Sprache gebracht.
- 2016
Ferienmörder
Stücke
Günter Eichbergers Dramen führen uns in Traumszenerien und hermetische Welten. Ob nun Fischmensch, Nixe und Seepferdchen in ihrem Aquarium-Büro sinnentleerte Verwaltung und Überwachung simulieren oder zwei Paare unter der Last jährlichen Erholungszwangs sich durch den Urlaub quälen, stets zielen Eichbergers Stücke auf Absurditäten der Jetztzeit: Multiple Schauplätze, wie ein Krankenhaus, das zugleich Freuden- und Zuchthaus ist, bringen die Identität der Figuren ins Wanken. Alle täuschen vor, jemand anderer zu sein oder verschanzen sich hinter fiktiven Lebensentwürfen, manche haben immerhin ein Bewusstsein davon, Rollen in einem Theaterstück zu sein. Doch was bedeutet schon „wirklich“ in Günter Eichbergers erkenntnistheoretischen Verwirrspielen? Meisterhaft zieht der Dramatiker sämtliche Register theatraler De-/Maskierung. Im punktgenauen Aneinandervorbeireden bringen Günter Eichbergers Tragikomödien den Sprechmodus einer Gesellschaft auf die Bühne, deren Zusammenhang in Auflösung begriffen ist. Glanzstücke geschliffener Sprachsatire.
- 2015
Wimperntierchen
Roman
Das Buch, das in einem aus Kinoversatzstücken zusammengesetzten Amerika spielt, beginnt wie ein Thriller: Es nähert sich „aus dem Nichts“ ein Mörder, der seinem namenlosen Opfer, einem Spieler und Trinker, die Pistole ansetzt: „Sprich deine letzten Worte, aber wähle sie gut.“ Ein „Wir“-Erzähler berichtet Varianten des möglichen Geschehens in kühler, ironischer Distanz. Der Undezidiertheit des Erzählens entspricht die Flüchtigkeit der Figuren, die zunehmend ausfransen, ineinander übergehen. Es ist eine sich immer wieder aufs Neue relativierende Erzählmaschine, die der Autor in Gang setzt und die er mit den im Titel aufgerufenen Mikroorganismen verzahnt: Deren Leben sei infolge ungeschlechtlicher Zellteilung keine zeitliche Grenze gesetzt, in ihrer endlosen Einförmigkeit gemahnt ihre Existenz an jene ereignislose des Durchschnittsverbrauchers im Spätkapitalismus zwischen saturierter Seinsvergessenheit und unbändiger Expansion. Ob nun in feingeschliffenen Pointen oder in provokanten Kalauern: Günter Eichberger bestätigt mit Wimperntierchen seinen Rang als Meister gesellschaftskritischer Sprachsatire und gewitzter Genre-Travestie.
- 2013
Rosegger Reloaded
- 224 Seiten
- 8 Lesestunden
- 2012
Die Nahrung der Liebe
- 107 Seiten
- 4 Lesestunden
Ein Börsenspekulant, dessen Biographie deutlich an jene von George Soros erinnert, ist entführt worden. In einer ausladenden Verteidigungsrede versucht er sich gegenüber seinen stummen, gesichtslosen Entführern zu rechtfertigen, sei er doch selbst ein Revolutionär und einer der Ihren. Und wie dessen reales Vorbild ist Günter Eichbergers Investor davon überzeugt, Gott zu sein, und kommt auf die Idee, dass er selbst hinter der Geiselnahme stehen könnte. Als Autor des Monologs tritt ein Vielschreiber namens Griebl, der sich auf das literarische Ausbeuten biographischen Materials spezialisiert hat, in die Erzählung. Seine seltsam passive Existenz steht in denkbar großem Gegensatz zum Leben des Börsianers, das er sich zunehmend anzuverwandeln versucht. Ausgehend von der, nicht nur im Literaturbetrieb geführten Debatte um den Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Sprachmaterial zwischen postmodernen Verächtern des Originalitätsbegriffs und traditionalistischen Verfechtern des Authentischen führt „Die Nahrung der Liebe“ ausgiebig Intertextualität vor. Eine Fülle von Zitaten und Anspielungen (Bakunin, Barthes, Enzensberger, Franzobel, Soros, Unsichtbares Komitee u. a.) durchzieht den Text, der auf virtuose Weise die Register avancierter literarischer Verhüllungs- und Entkleidungskunst zieht.
- 2010
Halber Flügel. Gemischter Satz
- 115 Seiten
- 5 Lesestunden
Ein Prosaband voller Bekenntnisse und Selbstbezichtigungen, der von einer Festrede auf Österreich bis hin zu einem Mörderplädoyer reicht. Eichbergers Satire reflektiert den Wahnsinn der heutigen Realität.
- 2010
»Eichberger agiert auch nicht als Kulturwissenschaftler, der mit seinen Essays den Kanon der Massenkultur um bisher unbeachtete Themen erweitert. Er ist, wenn schon Kanon, dann sein eigener. Auch das Konzept autobiografischen Schreibens liegt ihm, der an der Herstellung seiner Identität mittels Sprache zweifelt, naturgemäß fern. Und doch lässt sich aus keinem anderen seiner Bücher mehr über Günter Eichberger erfahren als in Leere Abwesenheitsmitteilung.« – Wilhelm Hengstler