Waris Dirie
21. Oktober 1965
Waris Dirie (* 1965 in der Region von Gaalkacyo, Somalia) ist ein somalisch-österreichisches Model, eine Bestseller-Autorin und Menschenrechtsaktivistin im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM). Sie war von 1997 bis 2003 UN-Sonderbotschafterin gegen die Beschneidung weiblicher Genitalien. 2002 gründete sie ihre eigene Organisation, die Desert Flower Foundation.
Waris Dirie stammt aus einer muslimischen, zur Ethnie der Somali gehörenden Nomadenfamilie, die zum Clan der Darod zählt. Waris bedeutet „Wüstenblume“. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt; das zumeist mit 1965 angegebene Geburtsjahr ist unbelegt. Als Fünfjährige erlitt sie selbst die Genitalbeschneidung in Form der Infibulation. Als sie im Alter von 13 Jahren an einen alten Mann verheiratet werden sollte, floh sie durch die Wüste in die Hauptstadt von Somalia, Mogadischu, zu ihrer dort lebenden Großmutter mütterlicherseits. Später lebte sie bei einer Tante in Mogadischu. 1981 wurde ihr mitgeteilt, dass sie nicht länger bei den Verwandten in Mogadischu bleiben konnte, weil ihre Flucht aus der Wüste nicht geduldet wurde. Einer ihrer Onkel, der damals somalischer Botschafter im Vereinigten Königreich war, suchte ein Dienstmädchen. Sie drängte darauf, diese Stelle zu erhalten, wurde nach London gebracht und arbeitete in der somalischen Botschaft ohne Bezahlung. Als der Onkel nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Somalia London verlassen musste, bestand Waris darauf, in London zu bleiben und lebte zuerst in den Straßen Londons, später in einem Heim des YMCA. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt als Reinigungskraft in einer McDonald’s Filiale. Mit 18 Jahren änderte sich Diries Leben schlagartig, als sie zufällig von dem englischen Fotografen Terence Donovan entdeckt wurde. Er fotografierte sie 1987 gemeinsam mit dem damals noch unbekannten Model Naomi Campbell für die Titelseite des Pirelli-Kalenders. Dirie wurde über Nacht zu einem gefragten und hochbezahlten Topmodel. Sie arbeitete für Chanel, L’Oréal, Revlon, Versace, Cartier, Levi’s und viele andere Weltmarken. Ihr Bild erschien am Cover der Zeitschrift Vogue und zahlreichen anderen Hochglanz-Magazinen. 1987 war sie im James-Bond-Film Der Hauch des Todes zu sehen (als Waris Walsh). Schließlich arbeitete sie auf den Laufstegen in London, Mailand, Paris und New York. 1995 drehte die BBC die Dokumentation „Eine Nomadin in New York“ über ihre außergewöhnliche Karriere. Im Jahr 1997, auf dem Höhepunkt ihrer Model-Karriere, berichtete Waris Dirie erstmals der Journalistin Laura Ziv für die Zeitschrift Marie Claire über das Trauma ihrer Beschneidung und löste damit ein weltweites Medienecho aus. Im selben Jahr wurde sie UN-Sonderbotschafterin gegen weibliche Genitalverstümmelung. Ebenfalls 1997 besuchte sie ihre Mutter und 2000 ihre Familie im unterdessen bürgerkriegsgeplagten Somalia. 1998 veröffentlichte Dirie gemeinsam mit der Autorin Cathleen Miller das Buch Wüstenblume (Originaltitel: Desert Flower), in dem sie unter anderem von ihrer radikalen Beschneidung erzählt. Durch ihre Berühmtheit schaffte sie es, auf dieses Thema weltweit aufmerksam zu machen. 1998 wählten sie die US-Leserinnen des Glamour Magazin zur Woman of the year. 1999 erhielt Dirie den Afrika-Preis der Deutschen Bundesregierung für ihre Verdienste um die Rechte afrikanischer Frauen.2001 erschien ihr zweites Buch Nomadentochter (Originaltitel: Desert Dawn), für das sie in Deutschland gemeinsam mit Paulo Coelho den Corine Award für das bestverkaufte Buch 2002 erhielt. 2005 erschien Schmerzenskinder, für das Dirie zwei Jahre mit einem Team heimlich in afrikanischen Gemeinschaften in Europas Hauptstädten recherchierte. Mit dem Buch startete sie eine europaweite Kampagne gegen FGM. 2007 erschien Brief an meine Mutter, ein weiterer Bestseller. Im Jahr 2002 gründete Dirie die Desert Flower Foundation in Wien. Die Organisation sammelt Spendengelder, um auf das weltweite Problem von FGM aufmerksam zu machen und Betroffenen zu helfen. 2004 verlieh ihr Michail Gorbatschow im Rahmen der Women’s World Award Gala in Hamburg den World Social Award. Im selben Jahr eröffnete sie die Weltkonferenz gegen FGM in Nairobi, hielt eine vielbeachtete Rede und veröffentlichte erstmals das Waris-Dirie-Manifest gegen FGM. Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer verlieh ihr im Namen der Katholischen Männerbewegung Österreichs den Romero-Preis. Im März 2005 wurde Waris Dirie die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.Im Januar 2006 sprach Dirie vor den versammelten Ministern aller EU-Mitgliedstaaten in Brüssel. Hierauf setzte die Europäische Union den Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung auf ihre Agenda. Danach wurden in vielen europäischen Ländern Gesetze verschärft und Präventionsmaßnahmen initiiert. 2007 startete Waris Dirie im Vereinigten Königreich eine Kampagne gegen FGM zusammen mit Scotland Yard und der BBC.Am 12. Juli 2007 zeichnete der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy nach seinem Amtsantritt Waris Dirie als erste Frau für ihre Verdienste im Kampf um die Rechte der Frauen zum Chevalier de la Légion d’Honneur aus.Im September 2007 erhielt Waris Dirie aus den Händen der Schweizer Parlamentspräsidentin Christine Egerszegi-Obrist den Prix des Générations der World Demographic Association. Im selben Jahr wurde sie mit der Martin-Buber-Plakette der Euriade ausgezeichnet. Der arabische Sender Al Jazeera lud Dirie in die populäre Talkshow von Riz Khan ein. Sie sprach erstmals in einem arabischen Sender vor über 100 Millionen Zuschauern über das Tabuthema „Weibliche Genitalverstümmelung“. Es folgte ein weiteres Aufklärungsprogramm über FGM mit Dirie für Jugendliche auf dem Pan Arabic Youth Channel. Im März 2008 lud die EU Waris Dirie erneut zu einem Vortrag in das EU-Parlament nach Brüssel ein, ein Treffen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice wurde angesetzt. In der Nacht vor ihrer Rede, am 4. März 2008, verschwand Waris Dirie spurlos und löste eine Großfahndung der belgischen Polizei aus. Am Abend des 7. März 2008 erkannte sie ein Polizist in der Nähe des Grand-Place/Grote Markt in Brüssel. Sie gab vorerst an, ihr Hotel nicht mehr wiedergefunden zu haben. Am 10. März jedoch gab ihr Anwalt bekannt, sie sei einer Entführung und einer versuchten Vergewaltigung durch einen Taxifahrer zum Opfer gefallen.Im April 2008 begannen unter der Regie von Sherry Hormann die Dreharbeiten für die Verfilmung ihres Bestsellers Wüstenblume in Dschibuti. Weitere Drehorte waren New York, London, Berlin und Köln. Der Film wurde von Oscar-Preisträger Peter Herrmann produziert, Benjamin Herrmann und Waris Dirie waren Co-Produzenten, die Hauptrolle spielte das äthiopische Model Liya Kebede. In weiteren Rollen sind Sally Hawkins, Juliet Stevenson, Timothy Spall, Meera Syal und Craig Parkinson zu sehen. Im September 2009 kam der Film Wüstenblume in die Kinos. Der Film erreichte in Deutschland über eine Million Kinobesucher und sein Produzent wurde mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet. Dirie reiste auf Einladung des Präsidenten von Dschibuti zu den Dreharbeiten und hielt eine Rede über FGM vor dem Ministerrat und Abgeordneten.Im Januar 2009 wurde Waris Dirie Gründungsmitglied der PPR Foundation for Women’s Dignity and Rights, die François-Henri Pinault (CEO von PPR) mit seiner Ehefrau, der Hollywood-Schauspielerin Salma Hayek in Paris ins Leben gerufen hat.Im Juli 2010 wurde Dirie zur Friedensbotschafterin (Ambassador for Peace and Security in Africa) der Afrikanischen Union (AU) ernannt. Im Oktober 2010 wurde Dirie in Rimini mit der Goldmedaille des Präsidenten der Republik Italien ausgezeichnet.Ebenfalls 2010 traf Waris Dirie während eines Aufenthalts in Hamburg den Menschenrechtsaktivisten Rüdiger Nehberg und dessen Frau Annette, die beide seit Anfang der 2000er Jahre im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung aktiv sind. Bei dem Treffen übergaben sie Dirie eine selbstgedrehte Filmaufnahme einer Genitalverstümmelung eines jungen Mädchens in Äthiopien. Entgegen vorheriger Absprachen verwendete Dirie diese ohne Quellangaben für eigene Zwecke. Vor dem Hamburger Landgericht wurde sie hierfür zur Zahlung eines Geldbetrages an Nehbergs Hilfsorganisation Target verurteilt.2011 war sie Mitglied der Jury, die das universelle Logo für Menschenrechte auswählte.Waris Dirie hat zwei Söhne (Aleeke, Leon). Sie lebt seit 2009 in Danzig; zeitweise auch in Wien. Ihr jüngerer Sohn Leon ist in Wien geboren.Anders als die weibliche Genitalverstümmelung befürwortet sie die Zirkumzision. Ihren Sohn Aleeke ließ sie einen Tag nach der Geburt beschneiden.