Mikroskopie der Psyche
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Andreas Mayer erhellt die historische Entwicklung psychologischer Untersuchungs- und Therapiemethoden von ihren Anfängen bis zur Einrichtung der psychologischen Praxis. Dabei bietet er eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Hypnose und der Psychoanalyse. Aus der Perspektive des Postfreudianismus schienen Hypnose und Psychoanalyse lange Zeit kaum etwas miteinander gemein zu haben. Während die Psychoanalyse als ein rationales Therapieverfahren und damit als Instrument der Aufklärung galt, stand die Hypnose im Verdacht, zu den »okkulten« Wissenschaften zu gehören. Diese Überzeugung hat dazu beigetragen, daß der Hypnotismus oft noch immer als exotisch oder gar barbarisch angesehen wird. Andreas Mayer unternimmt in seiner Untersuchung eine historische und epistemologische Neubestimmung des Verhältnisses von früher Psychoanalyse und Hypnose. Dabei verfolgt er die verschiedenen Bemühungen in Frankreich, Österreich und Deutschland, den Hypnotismus als eine Experimentalwissenschaft zu etablieren, und analysiert das Scheitern dieser Versuche anhand eines Vergleichs der verschiedenen lokalen Forschungskulturen. Die in Wien von Sigmund Freud entwickelte Technik der »Psychoanalyse« und das dazugehörige spezifische Behandlungsarrangement wird in eine Genealogie von experimentellen und therapeutischen Settings gestellt, wie dem Hypnoselabor Jean-Martin Charcots an der Pariser Salpêtrière, der im Krankenhaus von Nancy entwickelten Suggestionsbehandlung Hippolyte Bernheims oder der psychotherapeutischen Privatpraxis Oskar Vogts. Sowohl durch die Erschließung bisher unpublizierter oder unbeachteter Quellen als auch durch die Anwendung neuerer wissenschaftssoziologischer Ansätze im Bereich der Psychotherapiegeschichte ermöglicht Mayer eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Hypnose und Psychoanalyse: Im Gegensatz zu einer bisher dominierenden ideen- oder theoriegeschichtlichen Heransgehensweise verfolgt er die Entwicklung der Psychoanalyse anhand einer Analyse von konkreten Praktiken. Darin erweist sich Freuds Verfahren als ein Resultat von direkten oder indirekten Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Experimentalkulturen des Hypnotismus. Zur Reihe: Die Wissenschaftsgeschichte verstand sich lange Zeit als eine Art Gedächtnis der Wissenschaften. Heute sucht sie ihren Platz in der Kulturgeschichte und sieht ihre Aufgabe nicht zuletzt darin, Brücken zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften zu bauen. Die Formen, in denen dies geschieht, sind keineswegs ausgemacht. Sie sind Gegenstand eines großen, gegenwärtig im Gange befindlichen Experiments. Die historische Einbettung der wissenschaftlichen Erkenntnis, der Blick auf die materielle Kultur der Wissenschaften, auf ihre Objekte und auf die Räume ihrer Darstellung verlangt nach neuen Formen der Reflexion, des Erzählens und der Präsentation. Die von Michael Hagner und Hans-Jörg Rheinberger herausgegebene Reihe »Wissenschaftsgeschichte« versteht sich als ein Forum, auf dem solche Versuche vorgestellt werden.