Thích Nhất Hạnh
Thích Nhất Hạnh (Aussprache [tʰik ɲɜt hɐʲŋ], im internationalen Schrifttum auch Thich Nhat Hanh, * 11. Oktober 1926 als Nguyễn Xuân Bảo in Thừa Thiên, Region Annam, Französisch-Indochina; † 22. Januar 2022 in Huế, Vietnam) war ein vietnamesischer buddhistischer Mönch, Schriftsteller und Lyriker. Thích ist ein Titel vietnamesischer Mönche.
Neben dem Dalai Lama war Thích Nhất Hạnh ein zeitgenössischer Repräsentant der buddhistischen Lehre. Schon seit seiner Jugend war er dezidierter Vertreter eines „engagierten Buddhismus“, so war er u. a. einer der Schirmherren des Internationalen Netzwerks Engagierter Buddhisten (INEB). Retreats und Vorträge führten ihn rund um die Welt. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, die sich an ein Laienpublikum in Europa und Amerika wenden und in viele Sprachen übersetzt wurden. Thích Nhất Hạnh wurde mit sechzehn Jahren im Từ Hiếu-Tempel in Huế zum Mönch ordiniert. Schon früh interessierte er sich neben den Texten der Mahayana-Tradition auch für Schriften anderer Schulen, insbesondere für die des Theravada. Auch europäische Philosophen und Religionstheoretiker fesselten ihn. 1949 war er einer der Gründer des An Quang Buddhist Institute in Saigon, wo er die erste Klasse von Novizen unterrichtete. Dort hatte er auch Kontakt mit französischen Soldaten.Seine ersten Artikel zum engagierten Buddhismus veröffentlichte er 1954 in einer vietnamesischen Tageszeitung. Sie erschienen unter dem Titel A Fresh Look at Buddhism als Serie von zehn Artikeln. Kurz darauf veröffentlichte er eine weitere Serie von zehn Artikeln unter dem Titel Buddhism Today (Buddhismus Heute), die ins Französische übersetzt wurden (französisch: Aujourd’hui le Bouddhisme).1956 errichtete er mit Freunden im Dai-Lao-Wald im Ort Bsu Danlu das Phuong Boi-Kloster (englisch Fragrant Palm Leaves Monastery), wo er für einige Jahre lebte. 1961 erhielt er ein Forschungsstipendium für vergleichende Religionswissenschaften an der Princeton University. 1963 bis 1964 hielt er Vorlesungen an der Columbia University.Nach dem Machtwechsel in Vietnam 1963 kehrte er auf die Bitte seiner Kollegen hin Anfang 1964 nach Vietnam zurück, um dort zu helfen. Er gründete die Van Hanh University und publizierte unter dem Titel Dao Phat di vao cuoc doi (deutsch: engagierter Buddhismus) eine Sammlung seiner bisher erschienenen Artikel zu dem Thema. Sechs Monate später veröffentlichte er ein weiteres Buch, Dao Phat hien dai hoa (deutsch: erneuerter Buddhismus).Er war Mitbegründer der „Vereinigten Buddhistischen Kirche von Vietnam“ (1963), die sich der Theravada- (frühbuddhistische, südliche Schule) und Mahayana-Tradition (spätere, nördliche Schulrichtung) gleichermaßen verpflichtet fühlt. Unter der Schirmherrschaft der „Vereinigten Buddhistischen Kirche von Vietnam“ wurde 1965 die „Schule der Jugend für Soziale Dienste“ (SYSS) gegründet, die aus Mönchen und Laienpraktizierenden bestand, die den Dörfern auf dem Land beim Aufbau von Schulen und Krankenhäusern halfen. Während des Vietnamkrieges half die SYSS beim Wiederaufbau der bombardierten Ortschaften, wodurch die Hilfsorganisation immer wieder zwischen die Fronten geriet und zahlreiche ihrer Mitglieder ums Leben kamen. Im Jahr 1964 gründete Thích Nhất Hạnh den „Tiep-Hien-Orden“, (englisch Order of Interbeing ‚Intersein-Orden‘) als „spirituelle Widerstandsbewegung“. Der Orden gründet sich vollständig auf den Lehren des Buddha. Die Ordensmitglieder engagieren sich in der praktischen Umsetzung der buddhistischen Lehre in konkreten Sozial- und Friedensprojekten. Am 1. Juni 1965 schrieb Thích Nhất Hạnh einen offenen Brief an Martin Luther King, in dem er die Situation in Vietnam schilderte und King aufforderte, sich zum Vietnamkrieg zu äußern. Im Jahr 1966 fand ein Treffen zwischen Thich Nhat Hanh und Martin Luther King statt. Anfang 1967 schlug Martin Luther King Thích Nhất Hạnh für den Friedensnobelpreis vor und nahm öffentlich Stellung gegen den Vietnamkrieg.Bei einer Audienz bei Papst Paul VI. im Juli 1966 bat Thích Nhất Hạnh in seiner Funktion als Mitarbeiter der buddhistischen Führer Thich Tri Quang und Thich Tam Chau diesen ebenfalls eindringlich, sich für den Frieden in Vietnam einzusetzen. Diese Bitte gab den Ausschlag, dass der Papst einen Botschafter nach Vietnam entsandte.1969 war Thích Nhất Hạnh Mitglied der buddhistischen Delegation bei den Friedensverhandlungen für Vietnam in Paris. Dort gründete er im selben Jahr die Vereinigte Buddhistische Kirche. Aufgrund seiner Friedensaktivitäten wurde er von der südvietnamesischen Regierung zur persona non grata erklärt und musste im Exil bleiben. Da er in Vietnam nicht mehr unter seinem Namen veröffentlichen konnte, erschien sein folgendes Buch Buddhism of Tomorrow unter dem Pseudonym Bsu Danlu (in Anlehnung an den Ort seines o. g. Klosters). In der Folge veröffentlichte er in Vietnam mehrere Bücher unter verschiedenen Namen, unter anderem ein umfangreiches dreibändiges Werk zur Geschichte des vietnamesischen Buddhismus unter dem Pseudonym Nguyen Lang.Nach einigen Jahren in Paris gründete er 1971 mit Weggefährten die Landkommune „Les Patates douces“ (deutsch Die Süßkartoffeln) bei der Ortschaft Fontvannes, 150 km südöstlich von Paris, und schuf 1982 schließlich östlich von Bordeaux das Praxiszentrum „Plum Village“ (französisch Village des Pruniers). Jedes Jahr finden dort Retreats statt, die von tausenden von Menschen aus der ganzen Welt besucht werden. 2017 erzählte Benedict Cumberbatch in dem Dokumentarfilm Walk with me über die Gemeinschaft aus den frühen Tagebüchern Hạnhs.Die Weiterführung des sozialen Engagements für Vietnam war Thích Nhất Hạnh und seinen Wegbegleitern in Frankreich stets ein zentrales Anliegen. Hierzu zählt neben Projekten für die medizinische Versorgung auch die Unterstützung der Boat People (Vietnamflüchtlinge). In Plum Village verfasste Thích Nhất Hạnh – insbesondere in den 1990er Jahren – eine Vielzahl von Büchern, die sich im Wesentlichen an ein westliches Publikum wenden und die praktische Umsetzung der buddhistischen Lehre im Alltag zum Thema haben. Im Januar 2005 kehrte er erstmals nach 39 Jahren Exil wieder für drei Monate in seine Heimat Vietnam zurück, wo er Vorträge und Retreats im ganzen Land abhalten konnte. 2007 initiierte Thích Nhất Hạnh in Waldbröl (Deutschland, Nordrhein-Westfalen) die Gründung des Europäischen Institutes für Angewandten Buddhismus (EIAB). Er erwarb ein großes denkmalgeschütztes Gebäude (jetzt: Ashoka-Institut), in dem vor dem Zweiten Weltkrieg eine „Heil- und Pflegeanstalt“ für psychisch Kranke und geistig Behinderte untergebracht war (gebaut 1894–1897). Diese (etwa 700 Personen) wurden in der Zeit des Nationalsozialismus großteils Opfer des Euthanasie-Programms (Aktion T4). Ab 1939 wurde das Gebäude zum „KdF-Hotel“ umgebaut, später wurde es als städtisches Krankenhaus und von der Bundeswehr genutzt. Zum EIAB gehört zudem die ehemalige Zivildienstschule. Aufgrund von Brandschutzauflagen musste das EIAB nach seiner Gründung 2008 umfangreich renoviert werden. Das Ashoka-Institut wurde nach längerem Umbau am 22. August 2012 von Thích Nhất Hạnh gemeinsam mit dem Bürgermeister von Waldbröl eingeweiht. Zu diesem Anlass (gleichzeitig 70 Jahre seit der Ordination von Thích Nhất Hạnh als Mönch und 30-jähriges Jubiläum von Plum Village) zeigte das EIAB auch eine Sammlung seiner Kalligraphien. Im Gedenken an die Euthanasie-Opfer von Waldbröl fand im Vorfeld die Aktion „Heilende Herzen“ statt. Zudem wurden aus ungenutzten Säulen der Nationalsozialisten (die dort seitdem lagerten) ein Tor und eine Stupa gefertigt. In einer seiner Kalligraphien schrieb Thích Nhất Hạnh: „Aus dem Schlamm von Diskriminierung und Fanatismus ziehen wir den Lotus der Toleranz und Inklusivität.“ Im EIAB finden regelmäßig Retreats in der Tradition von Plum Village statt. Der Leiter des Institutes ist Thay Phap An (Dr. Thu Pham). Am 11. November 2014 erlitt Thích Nhất Hạnh im Alter von 88 Jahren während eines Krankenhausaufenthaltes in Bordeaux eine schwere Hirnblutung. Nach diesem Schlaganfall zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück.Ab Oktober 2018 lebte Thích Nhất Hạnh im Từ Hiếu-Tempel, in dem er 1942 zum Mönch ordiniert worden war. Dort starb er nach Angaben der New York Times am 15. Januar 2022.